Von Giorgio Agamben; aus dem Italienischen übersetzt von Hubert Thüring, edition suhrkamp, Ffm 2002; Originaltitel: Homo sacer. Il potere sovrano e la nuda vita, Torino 1995.
„In Homo sacer stellt Giorgio Agamben im Anschluss an Foucault und als philosophische Korrektur von dessen Konzept der Biopolitik die These auf, dass diese, indem sie den Menschen auf einen biologischen Nullwert zurückzuführen versucht, das nackte Leben zum eigentlichen Subjekt der Moderne macht.
Im archaischen römischen Recht wurde das nackte Leben von der Figur des homo sacer verkörpert: Zwar durfte er straflos getötet, nicht aber geopfert werden, was auch seine Tötung sinnlos und ihn gleichsam unberührbar machte (woraus sich der Doppelsinn von sacer als »verflucht« und »heilig« ableitet). Der homo sacer markiert die Grenze zwischen dem nackten und dem rechtlich eingekleideten Leben. Er steht für das rechtlich ungeschützte, nur dem Souverän verfügbares Leben und charakterisiert so die Souveränität als solche. Ausgehend von Carl Schmitts Souveränitätskonzept und im Umweg über historische Stationen der politischen Kulturgeschichte kommt Agamben zu einer Analyse des Konzentrationslagers als »n6mos der Moderne«, wo Recht und Tat, Regel und Ausnahme, Leben und Tod ununterscheidbar werden. In den zwischen Leben und Tod siechenden Häftlingen, aber auch in den Flüchtlingen von heute sieht er massenhaft realgewordene Verkörperungen des homo sacer und des nackten Lebens. Die philosophische Begründung dessen, dass diese Möglichkeit keineswegs nur historisch ist, hat eine Diskussion entfacht, die weit über Italien und Europa hinausreicht.“ Gary Smith, Rüdiger Zill, Einstein-Forum