„Kindertotengeheimnis“ Video von GABRIEL RUGET

 

„Merci à Frédéric Pauvarel pour l’exceptionnel corpus photographique des fresques de la Villa des mystères. L’interprétation des Kindertotenlieder est celle de Kathleen Ferrier dirigée par Bruno Walter en 1954. L’espace entre les deux faces du vinyle est occupé par des sons construits à partir des Fragments instrumentaux de Contrapollinopolis (Ensemble Kérylos)… et par la contribution propre (!) de Linn Sondek/Audiocraft/Ortofon. Je remercie Madame Alix Barbet, archéologue, directeur de recherches au CNRS, pour m’avoir incité, au vu de compositions antérieures (La mort d’un ange, Las Meninas, Prodigal La Monte Young…), à utiliser les photos de Frédéric Pauvarel et la musique de l’ensemble Kérylos.“ Gabriel Ruget, Paris, 16.11.16

Generell entstehen Gabriel Rugets Videos durch die Verwendung großer Makros, insbesondere Collagen und Überlagerungen (Algorithmen). So entstehen auch die multiplizierten grafischen Gesten. Sie stehen im Kontext der einzelnen Intervention des Komponisten. Daher auch der „wiederkehrende “ Ton! Verwendete Softwares: Cycling’74 Max, Photoshop und Premiere Pro, Ableton Live, manchmal Maya.

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Satt und Blau

bernadobaal satt und blau

Satt: gemästete Herzen am Schlachttag, maßlos bepackt, müde, trüb‘ belichtet, bequem.

Blau: unbestimmte Ferne der Weltecken, Erdrauch, nackt, berstend verschlossen, abgebalgt.

 

Lyrik, Literatur des 20. Jh., TB, ISBN: 9783925670589, Format oktav, 126 Seiten, Bielefeld 1992,12 €, Lieferung frei Haus.
"Belletristik der Woche", DIE ZEIT, 05.Juni 1992

 

Erfüllung

Sein Wille bestand seit Jahren darin, der Fülle seines Leibes Herr zu werden. Ihr Bestreben bestand seit Jahren darin, einen Teint zu finden, der einem Herrn gerecht würde. Nun haben beide, verzerrt zwar, aber annähernd ihr gewünschtes Aus-Sehen doch noch: Auf dem Sterbebett.

 

Potentialschwankungen

Es kam vor, dass er den Zugfahrplan mit der Getränkekarte verwechselte; irritiert suchte er nach den Abfahrtszeiten zwischen den Getränkepreisen.

 

Komödie, toujours

Ich verspeiste eine Pastete bei einem Glas Rotwein und sah nach DRAUßEN. Auf scheinbar sicher montierten Wegen, die zu den Orten der Quälerei führen, drücken sich, so gleich, so dumm, so üblich, Menschen, begleitet von Hunden, aneinander vorbei. Unverständlich, dass sie nicht lieben … Was? Zersplitterung, Regen, dicht und kräftig. Kälte und keine andren Menschen, Aufgabenlosigkeit, Bettlägerigkeit, Schlaflosigkeit. Statt dessen arrangieren sie auf einem großen Platz mühevoll ihr PARKEN.   

 

 

 

Wiener Anus

„Es hat hier und nur hier sein müssen, sagt man, dass die Psychoanalyse erfunden wurde. Wo, wie in Wien, die Innenstadt von einer Ringstraße umgürtet wird, auf welcher die Trambahnlinie Numero 1 im Uhrzeigersinn und die Trambahnlinie Numero 2 in Gegenrichtung rundum spuren, da erblickt, wer in Fahrtrichtung schaut, sich vorauseilend quasi von hinten. Die Wiederkehr des Verdrängten passiert also in jedem Fall, frontal oder a tergo. (Geschlechtsverkehr von hinten; B.S.)“ schreibt Chris Bader – alias Christiane Zintzen in „Einfach hinlegen?“ , DU 771 , 2006

Quelle: ÖPNV Wien

Liebe Deinen Nächsten? une demande d’idéal!

Heinrich Heine, sagt Sigmund Freud, sei es gestattet, eine „schwer verpönte psychologische Wahrheit … zu gestehen“ . In diesem Zusammenhang sei auf den Auszug aus Freuds „Unbehagen in der Kultur“ hingewiesen, der hier unter think zu finden ist; Heine scherzt also in einem Aphorismus folgendermaßen:

„Ich habe die friedlichste Gesinnung. Meine Wünsche sind: eine bescheidene Hütte, ein Strohdach, aber ein gutes Beet, gutes Essen, Milch und Butter, sehr frisch, vor dem Fenster Blumen, vor der Tür einige schöne Bäume, und wenn der liebe Gott mich ganz glücklich machen will, lässt er mich die Freude erleben, dass an diesen Bäumen etwa sechs bis sieben meiner Feinde aufgehängt werden. Mit gerührtem Herzen werde ich ihnen vor ihrem Tode alle Unbill verzeihen, die sie mir im Leben zugefügt – Ja, man muss seinen Feinden verzeihen, aber nicht früher, als bis sie gehenkt worden.“

Zitiert von Sigmund Freund in der Fußnote I seines Textes über das Unbehagen in der Kultur, Fischer TB 6043, 1971, S.101 unten; desweiteren: Heinrich Heine, Lutetia? Berichte über Politik, Kunst und Volksleben, Gedanken und Einfälle, Aufbau-Verlag, Bd. 4, 13. Auflage, 1974
 

Kreuzzugaufruf Bernhards von Clairvaux an die Deutschen, 1147.

Im Gebiet von Troyes wird am 11. April 1147 ein Schreiben, die Bulle Divini dispensatione des Papstes Eugens III., ausgefertigt. In dieser Urkunde billigt das Oberhaupt der Christenheit den Kreuzzug gegen die heidnischen Elbslawen: Wenden, Ranen, Pruzzen und Obotriten östlich der Elbe. Als Ziel des Kreuzzugs nennt der Oberhirte: Unterwerfung der Heiden unter die christliche Religion. Unter Androhung der Exkommunikation verbietet er der Heeresführung des Kreuzzugs, einem Heiden, der gegen Geld im alten Unglauben verharren will, diese Abgeltung zu erlauben: Taufe oder Tod!

Die wichtigsten Heerführer: Die Herzöge Heinrich der Löwe, Albrecht der Bär, Konrad von Zähringen sowie die Bischöfe von Bremen, Hamburg, Magdeburg, Brandenburg, Halberstadt, Havelberg, Merseburg, Münster, Verden, Olmütz und der Abt von Corvey.

Der sogenannte „Wendenkreuzzug“ konzentriert sich auf das heutige Gebiet Mecklenburg-Vorpommerns und benachbarte Gebiete. Sein Beginn datiert vom 13. April 1147 mit der erwähnten Bulle Papst Eugen III. Bis zum Aufmarsch der Truppen wird die Propaganda verschärft. Eugen III. beauftragte den Zisterzienserabt und sprachgewaltigen Rhetoriker Bernhard von Clairvaux mit den Propagandapredigten. Dessen Motte lautet: „Im Tod des Heiden sucht der Christ seinen Ruhm …“.

Den jungen, christlichen Kriegern, die sich auf den väterlichen Burgen langweilen, die Tage sinnentleert beim Würfeln und Karten spielen verplempern, sich aus Langeweile und Übermut bei Fehden und Turnieren gegenseitig erschlagen, gewährt der Papst einen leichteren Weg in Unsterblichkeit und Paradies. Wenn sie sich an dem Kreuzzug gegen die Heiden beteiligen, erhalten sie einen großzügigen Sündenablass. Im August 1147 bricht ein vom Kreuzzugsgedanken begeistertes, jugendliches Ritterheer von Magdeburg aus nach Osten zur blutigen Pruzzenfahrt auf.

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Francisco Ribalta (1565-1628), „Christus und der Hl. Bernhard“, Museo del Prado, Madrid
Der Kreuzzugaufruf Bernhards von Clairvaux an die Deutschen, 1147.

„Was tut ihr, tapfere Männer? Was tut ihr, Diener des Kreuzes? So wollt ihr das Heiligtum den Hunden und die Perlen den Säuen geben? Wie viele Sünder haben dort ihre Sünden mit Tränen gebeichtet und Verzeihung erlangt, seit das Schwert der Väter den Heidenunrat hinausgeworfen hat? Der Böse sieht das und schaut scheel darauf; er knirscht mit den Zähnen und erbleicht; er rührt die Gefäße seiner Bosheit und wird gewiss weder Zeichen noch Spur von so viel Frömmigkeit übriglassen, wenn er jemals – Gott verhüte es – stark genug wird, jenes Allerheiligste zu gewinnen. Das wäre dann für alle künftigen Zeiten ein unheilvoller Schaden; für dies Geschlecht aber, dies ganz unfromme, wäre es unendliche Scham und all ewiger Vorwurf. Weil euer Land an tapferen Männern fruchtbar ist und kräftig durch die Fülle seiner Jugend – wie denn durch alle Welt euer Preis geht, und der Ruhm eures Heldentums die ganze Erde erfüllt hat – so gürtet auch ihr euch mannhaft und ergreift die glücklichen Waffen im Eifer für Christi Namen. Enden möge jene Ritterart, nein, Ritterunart von ehedem, nach der ihr einander zu werfen, einander zu verderben pflegt und einer den andern umbringt. Welche grausame Lust reizt die Unseligen, dass sie mit dem Schwert den Körper ihres Nächsten durch bohren und vielleicht seine Seele mit ins Verderben stürzen! Auch der Sieger kommt jedoch nicht davon; auch durch seine Seele fährt ein Schwert, wenn er über eines Feindes Tötung sich freut. Wahnsinn ist es, nicht Mut, solch einem Unrecht zu frönen; keiner Kühnheit, sondern nur der Betörtheit soll man es zuschreiben. Du tapferer Ritter, Du Mann des Krieges, jetzt hast Du eine Fehde ohne Gefahr, wo der Sieg Ruhm bringt und der Tod Gewinn. Bist Du ein kluger Kaufmann, ein Mann des Erwerbs in dieser Welt – einen großen Markt sage ich Dir an; sieh zu, dass er dir nicht entgeht. Nimm Kreuzeszeichen, und für alles, was du reuigen Herzens beichtest, wirst du auf einmal Ablass erlangen. Die Ware ist billig, wenn man sie kauft; und wenn man fromm für sie bezahlt, ist sie ohne Zweifel das Reich Gottes wert ….

Im Übrigen, Ihr Brüder, mahne ich euch, und nicht nur ich mahne euch, sondern Gottes Apostel mit mir, dass nicht jedem Geiste zu trauen sei. Wir haben mit Freuden vernommen, wie der Eifer Gottes in euch glühe, aber immer ist es nötig, dass die Bändigung durch die Vernunft nicht fehle. Nicht die Juden soll man verfolgen, nicht sie totschlagen, nicht einmal sie verjagen. Befragt darum die Heilige Schrift … Lebendige Zeichen sind sie uns, die Passion des Herrn darstellend. Deswegen sind sie in alle Gegenden zerstreut; denn während sie die gerechte Strafe für ihre Missetat leiden, sollen sie Zeugen unserer Erlösung sein.-

Auch daran müsst ihr, liebste Brüder, erinnert sein, dass keiner etwa im Drang, euch allen voran zu sein, mit seinem Auszug dem Reichsheer zuvorzukommen suche – keiner unterstehe sich dessen. Und wenn er vorgibt, er sei von uns gesandt, so ist es nicht wahr; und wenn er Briefe zeigt, als hätte er sie von uns, so sollt ihr sagen, die Briefe seien falsch, wo nicht erschlichen. Kriegsgewohnte und kriegskundige Männer soll man zu Führern wählen, und auf einmal soll das Heer des Herrn aufbrechen, damit es überall Kraft habe und von niemand Gewalt erleiden kann. Es war nämlich in dem früheren Zug … ein Mann mit Namen Peter, von dem auch ihr gewiss oft gehört habt. Der brachte das Volk, das ihm vertraut hatte, in solche Gefahren, dass niemand oder doch nur die wenigsten entrannen, die andern verdarben durch Hunger oder Schwert. Und deshalb ist sehr zu fürchten, wenn ihr ähnlich handelt, dass es euch auch ähnlich ergehe. Davor bewahre euch Gott, der auf ewig gesegnet ist. Amen.“

Quelle: A. Läpple, Kirchengeschichte in Dokumenten

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Eroberungsgebiete, „Germania slavica“, grün-gelb, 1100-1400 (Osadnictwo_niemieckie_na_wschodzie)

 

Das Todaustragen

Das Todaustragen am Laetaresonntag (4. Passionssonntag∗ ).

„Freut euch mit Jerusalem! Jubelt in der Stadt, alle, die ihr sie liebt. Seid fröhlich mit ihr, alle, die ihr über sie traurig wart. Saugt euch satt an ihrer tröstenden Brust, trinkt und labt euch an ihrem mütterlichen Reichtum!“ Jes. 66, 10-11.

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Marek Bieganik, nature morte, LW, 2002 (Privatbesitz)

Der polnische Maler Marek Bieganik zeigt mit der Darstellung dieses knöchernen, zarten Fischskeletts, wie sich beim Betrachter – quasi durch die Hintertür – eine (paradoxe) Vorstellung von Unsterblichkeit ein- schleichen kann. Seine Materialarbeit, nennen wir sie ruhig ein „Unsterblich machen“, erinnert an das „Todaustragen“ in einigen Gegenden Schlesiens, der Lausitz und Böhmens am 4. Passionssonntag, also kurz vor Ostern, dem Auferstehungsfest. Das volkstümliche „Todaustragens“ war eine ausschließlich den Mädchen und Frauen vorbehaltene Zeremonie. Sie trugen eine bekleidete Puppe unter feierlichen Gesängen aus dem Dorf, vernichteten, opferten mit Gesängen die Strohpuppe durch Entkleidung, Zerreißung oder Ertränken. Anschließend kleideten sie das schönste Mädchen unter ihnen in das Gewand des „geopferten Todes“. Die Teile der Strohpuppe, des „geopferten Todes“, verteilten die Frauen auf den Feldern und an die jungen Männer im Dorf zur Mehrung der Fruchtbarkeit, wie es hieß.

Mit Ludwig Klages (Der Geist als Widersacher der Seele, 1929-1932) lässt sich sagen: Man tötet und opfert, aber man tötet den Tod und gewinnt an Leben. Aber nur aus der Hand des Todes und um den Preis der Tötung. Wir begegnen hier einem Herzstück der Metaphysik des Heidentums …

… und nicht zu vergessen, G.W.F. Hegel sagt: „Nichts ist wesentlich, was nicht erscheint.“

„O Voltaire! O Humanität! O Blödsinn!“

Friedrich Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, erstes Hauptstück, Nr. 35, Sils-Marie 1885, :

O Voltaire! O Humanität! O Blödsinn! Mit der „Wahrheit “ mit dem Suchen der Wahrheit hat es etwas auf sich; und wenn der Mensch es dabei gar zu menschlich treibt – „il ne cherche le vrai que pour faire le bien“ (er sucht nur die Wahrheit um Gutes zu tun) – ich wette, er findet nichts!

 

Gabriel Ruget, FILM & ANIMATION: Arnolfini appassionato

Gabriel Ruget transfiguriert filmisch ein Bildthema der späten Gotik (Jan van Eycks „Arnolfis Hochzeit“) mit Bezug auf den zeitgenössischen amerikanischen Maler Julian Schnabel (*1951), einem Vertreter des Neoexpressionismus / New Image Painting.

Arnolfini, „der Kaufmann mit dem Puppengesicht“, wird von Jan van Eyck 1434 gemalt. Das Bild hängt heute in der National Gallery in London. Ob es sich wirklich um Giovanni di Nicolao Arnulfini, Mitglied einer italienische Kaufmanns- und Bankiersfamilie mit Dependance in Brügge, und seine Braut Giovanna Cenami handelt, die van Eyck abgebildet haben soll, ist umstritten.

… zum Bild van Eycks und einer Interpretaion siehe Wikipedia „Arnolfini-Hochzeit“